Machbarkeitsstudie
Handel und Haltung exotischer Tiere als Haustiere in Privathaushalten wird seit Jahren in Hinblick auf Tier- und Artenschutzaspekte, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert. Mit der vorliegenden Studie sollten daher verschiedene der angesprochenen Aspekte beleuchtet und konkrete Vorgaben zu möglichen Verbesserungen auf den einzelnen Gebieten formuliert werden.
Bereits von 2015 – 2018 wurde von uns im Bundesprojekt „Haltung exotischer Tiere und Wildtiere in Privathand: Situationsanalyse, Bewertung und Handlungsbedarf insbesondere unter Tierschutzaspekten“ (Förderkennzeichen: 2815HS014) Untersuchungen zu diesem Kontext erhoben. Da bisher aus den Ergebnissen der sogenannten EXOPET-Studie trotz der nach wie vor drängenden Probleme keine politischen Konsequenzen gezogen wurden, sind diese bis 2018 gewonnenen Daten nochmals im Auftrag verschiedener Landestierschutzbeauftragter von der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig spezifisch für einige sehr häufig gehaltene Vogel– und Reptilienspezies ausgewertet worden. Vergleichend wurden zusätzlich aktuellere Daten bis 2022 zu den jeweiligen Punkten erhoben (https://www.vetmed.uni-leipzig.de/klinik-fuer-voegel-und-reptilien/forschung/forschungsprofil-1). Damit soll an vier ausgewählten Spezies beispielhaft gezeigt werden, welche Maßnahmen im Sinne der dringend notwendigen Verbesserung der gegenwärtigen Situation schnell ergriffen werden können.
Ausgewählte Spezies: Warum die Vier?
Der Graupapagei ist eine der häufigsten exotischen Ziervögel, der in Privathand in Deutschland gehalten wird. Er zählt zu den vom Aussterben bedrohten Arten mit einer abnehmenden Population. Die Haltung dieser Papageien erfordert u.a. aufgrund der Herkunft aus einem tropischen Land, der hohen kognitiven Intelligenz und der langen Lebenserwartung der Vögel höchste Ansprüche. Im Gegensatz hierzu gilt der Kanarienvogel als „leicht zu haltende Wildvogelart“ und würde vermutlich bei Verankerung einer Positivliste für die Klasse Aves in dieser gelistet sein. Wie sich aber zeigte, wiesen die Haltungen von Kanarienvögeln sogar noch eine vergleichsweise schlechtere Gesamt-Haltungsbewertung auf als die für den Graupapageien.
Für die Reptilien wurde die Griechische Landschildkröte als häufigster gehaltener Vertreter einer bedrohten Art (Anhang II WAA) ausgewählt. Hier gibt es einige Analogien zum Graupapageien. Die ebenfalls sehr häufig in Deutschland gehaltene streifenköpfige Bartagame unterliegt keinen Handelsregularien und wird oft als kostengünstiges „Anfängerreptil“ erworben. Die Schwemme an inzwischen ungewollten Individuen streifenköpfiger Bartagamen, welche entweder in Tierheime und Auffangstationen abgegeben oder online angeboten (und dort häufig verschenkt) werden, unterstreicht hier die Dringlichkeit einer Regulation.
Handel – Wie kommen die Tiere zu uns?
Für die ausgewählten Spezies war es besonders die Griechische Landschildkröte, deren Handelsdaten bemerkenswert waren: im Zeitraum 2016 – 2020 machten die Schildkröten insgesamt 85,8 % aller CITES-kontrollierter, nach Deutschland importierter Reptilien aus. Seit 2012 geht der Trend bei den Importen insgesamt stetig nach oben, fast alle Sendungen Griechischer Landschildkröten kamen in diesem Zeitraum laut CITES aus Mazedonien. Graupapageien werden aufgrund des Importverbots für die Klasse Aves heute überwiegend nachgezüchtet. Kanari und Bartagame stammen ebenfalls in aller Regel aus deutscher Nachzucht und gelten als „niedrig-preisige Heimtiere“ im Verkauf, für die keinerlei rechtlich verbindliche Handels- und Haltungsregularien bestehen. Für den Vertrieb spielen der Online-Handel und Tierbörsen neben dem Zoofachhandel eine herausragende Rolle.
Eine Kennzeichnung der meldepflichtigen Graupapageien und Griechischen Landschildkröten ist zwar prinzipiell Pflicht, jedoch nicht so ohne Weiteres nachprüfbar. Da die Durchsetzung von rechtlichen Vorgaben mit der Anmeldung endet, gibt es keine Garantie dafür, dass Haltungsvorgaben und -empfehlungen tatsächlich eingehalten werden. Prinzipiell muss die Haltung der zuständigen Naturschutzbehörde gemeldet werden. Diese Daten deutschlandweit zusammenzufassen, gelingt jedoch aufgrund uneinheitlicher Dokumentation der Ämter nicht. Eine umfassende Nachzuchtstatistik existiert für keine der untersuchten Spezies.
Haltung: Was man weiß – was man wissen sollte
In Deutschland gibt es leider im Gegensatz zu den anderen deutschsprachigen Ländern keine rechtsverbindlichen Regelungen für die Haltung von Papageien und Finkenvögeln. Die Ergebnisse der Auswertung der Haltungsbedingungen auf verschiedenen Ebenen weisen bei beiden Vogelspezies aber sehr deutlich auf einen dringenden Handlungsbedarf bezüglich artgemäßer Haltung hin. So ließen sich hier teilweise gravierende klinisch relevante, die Tiergesundheit belastende Parameter auf eine nicht artgemäße Haltung zurückführen.
Gleiches gilt für die Reptilien. Haltungsfehler sind eine häufige Ursache von Erkrankungen dieser Tiere. Bei Europäischen Landschildkröten stimmten so z. B. die Angaben von spezialisierten Tierärzt:innen zur Häufigkeit von Haltungsfehlern (97 % sehen solche regelmäßig) mit denen zur Häufigkeit haltungsbedingter Erkrankungen (ebenfalls durch 97 %) überein.
Zudem fiel negativ auf, wie wenig Informationen die Käufer:innen besonders in Zoohandlungen erhielten. Das häufige Fehlen von Informationsmaterial und der hohe Anteil an fehlerhaften Haltungsempfehlungen darin deuten auf dringenden Handlungsbedarf bezüglich einer besseren Information künftiger Halter:innen VOR dem Kauf hin. So stehen dem geringen Kaufpreis für eine Bartagame im Laufe ihres Lebens Kosten von einigen Tausend Euro (z. B. Stromkosten für die extrem aufwändige Beleuchtung usw.) gegenüber. So war auch zentraler und häufigster Kritikpunkt bei der Haltung der Bartagamen das Klima.
Zucht – bis ins Extreme?
Bei Kanarienvögeln existieren zahlreiche weitere Zuchtrichtungen, die regelmäßig auf Börsen gehandelt werden und von denen einige als Extremzuchten teilweise deutliche tierschutzrelevante Aspekte aufweisen. Hier wären gesetzlich bindende Regelungen und deren Vollzug bezüglich Extremzuchten des Kanarienvogels, analog des bereits existierenden Gutachtens zur Auslegung von Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes notwendig, um der Zucht und Haltung übertypisierter Kanarienvögel Einhalt zu gebieten. Auch bei der streifenköpfigen Bartagamen hat die Nachfrage nach außergewöhnlichen Zuchtformen (sog. „Morphen“) in den letzten Jahren deutlich zugenommen, in der seltene, neue und besonders nachgefragte Morphen zu hohen Preisen verkauft werden. Es bestehen teilweise deutliche Hinweise, dass verschiedene dieser Morphen die Kriterien des § 11b TierSchG erfüllen.
Lösungsansätze:
Die sich aus den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie unmittelbar ergebenden wichtigsten Forderungen sind:
- Einführung einer Heimtierverordnung (VO)
Für alle Wildtiere (analog Deutscher Bundestag/Drucksache 18/8707 am 7.6.2016/ Definition von Haus- und Wildtieren) müssen analog der Regelungen anderer Länder dringend rechtsverbindliche Mindestanforderungen an die Haltung / eine Heimtierverordnung eingeführt werden.
Aktuelle, den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende Informationen zur Haltung müssen dabei Privathalter:innen kostenfrei und leicht zugänglich über eine regelmäßig aktualisierte Online-Plattform/App mit umfangreichen Steckbriefen verschiedener Tierarten (nutzbar auch für [Amts]Veterinär:innen, Angestellte im Zoofachhandel etc.) zur Verfügung gestellt werden.
Aufbauend auf der EXOPET-Expert:innenanalyse und dem Entwurf einer Heimtierverordnung der Baden-Württembergischen Stabsstelle der Landesbeauftragten für Tierschutz vom 23. Februar 2017 entstanden hierzu bereits konkrete digitale Ansätze (online-Plattform/App). Der BMEL-Haustierratgeber präsentiert unverständlicherweise in seiner gegenwärtigen Form teilweise Ergebnisse, die konträr zu dem sind, was aus fachlicher Sicht in der Exotenhaltung seit Jahren beanstandet wird und auch in der EXOPET-Studie deutlich thematisiert wurde und ist in seiner gegenwärtigen Form nicht haltbar.
- Sachkundenachweis als Voraussetzung für den Erwerb von durch CITES geschützter Wildtiere
Für besonders geschützte Wildtiere wie z. B. die griechische Landschildkröte ist ein nachprüfbarer dokumentierter Sachkundenachweis Voraussetzung für den Erwerb des jeweiligen Tieres. Eine Voraussetzung für das Durchführen von Sachkundekursen ist es dabei, verbindliche Standards zur Haltung (s. o), welche alle Institutionen, die später solche Kurse durchführen, zugrunde zu legen. - Wechsel von der Melde- zur Bewilligungspflicht bei hohen Haltungsansprüchen
Für Wildtiere mit hohen Haltungsansprüchen wie z. B. den Graupapageien muss eine Bewilligungspflicht der Haltung eingeführt weden.
Zusätzlich in der EXOPET-Studie ausführlich diskutierte Punkte:
- Forderungen an den Zoofachhandel
Für alle im Handel mit Tieren tätigen Personen (auch Verkaufspersonal) muss ein spezielles Training der Kundenberatung und ein nachgewiesener Sachkundenachweis nach § 11 (TierSchG) eingeführt werden.
Einführung eines verbindlichen Zulassungsverfahrens für Tierhaltungsgegenstände (vergleichbar „TÜV“).
Einführung von detaillierten, rechtlich verbindlichen Mindestanforderungen an die Haltung von Tieren in Zoofachhandlungen.
Jedem Käufer – jeder Käuferin eines Heimtieres muss durch den Verkäufer, die Verkäuferin verständliches Informationsmaterial zu Anforderungen und Haltungsbedingungen zur Verfügung gestellt werden, das Beratungsgespräch muss schriftlich dokumentiert werden.
- CITES-Arten: Erfassung der meldepflichtigen und geschützten Tierarten auf Bundesebene mittels einheitlicher Software. [Bericht der Uni Leipzig, S. 211] – Implementierung eines bundesweit einheitlichen Registrierungstools [Bericht der Uni Leipzig, S. 234]
- Reglementierung des Internethandels
- Rechtsverbindliche Regulierung der Tierbörsen/-märkte. Internet-Kleinanzeigenportale, die den Handel mit Tieren ermöglichen, sind mit Tierbörsen rechtlich gleichzustellen; ggf. muss hierzu eine Ergänzung/Änderung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 TierSchG[1] erfolgen.
- Zu prüfen wäre auch die Einführung von Einschränkungen zum privaten Verkauf von Tieren, wie z. B. in § 8a des österreichischen Tierschutzgesetzes (https://www.jusline.at/gesetz/tschg/paragraf/8a, Zugriff: 23.02.2022) enthalten.
Die Einführung einer Positivliste, auf der die für die private Haltung geeigneten Wildtiere verzeichnet sind, wird in diesem Zusammenhang vielfach diskutiert und wird prinzipiell befürwortet. Da solche Positivlisten aber nicht gewährleisten, dass die gelisteten Tiere artgemäß gehalten werden und bei der Einführung solcher Listen verschiedenste Kriterien zu berücksichtigen sind, die die Einführung zwangsläufig zu einem langwierigen Prozess machen, können sie dem jetzigen dringlichen Handlungsbedarf nicht Genüge tun.
Autor:innen: Prof. Dr. M.-E. Krautwald-Junghanns, ML, Klinik für Vögel und Reptilien, Universität Leipzig (Studienverantwortliche), Stefan Heidrich, ehem. Landestierschutzbeauftragter Brandenburg, Undine Kurth, Madeleine Martin, Landestierschutzbeauftragte Hessen, Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte Baden-Württemberg
Die ausführlichen Dokumente zu der Studie können Sie sich hier downloaden:
- Graupapagei, pdf, 1,07 MB
- Griechische Landschildkröte, pdf, 1,5 MB
- Bartagame, pdf, 1,6 MB
- Kanarienvogel, pdf, 1,57 MB
Die ausführlichen Informationen zu den gesamten Machbarkeitsstudien finden Sie hier:
https://www.vetmed.uni-leipzig.de/klinik-fuer-voegel-und-reptilien/forschung/forschungsprofil-1
Statements
Dass der Handel und die Haltung exotischer Tiere als Haustiere in Privathaushalten voller tierschutz- und artenschutzrelevanter Probleme steckt, ist bekannt und wird daher seit Jahren kritisch diskutiert. Tierärzt:innen und Veterinärämter sind immer wieder mit Problemen konfrontiert, die aus falscher Haltung von exotischen Tieren resultieren und die oft gravierendes Tierleid bedeuten. Auffangstationen und Tierheime wiederum sind mit der Versorgung der leider wachsenden Zahl dieser Tiere überfordert. Es ist daher nur konsequent, dass Tierschutzbeauftragte verbindliche Rahmenbedingungen für die Haltung dieser Tiere fordern. Ich bitte den Gesetzgeber, das BMEL in Berlin, den Empfehlungen der EXOPET-Studie endlich zu folgen und zum Beispiel eine Tierschutz-Heimtierhaltungsverordnung zu erlassen. Eine solche Verordnung würde den Tieren und den Tierhaltern ebenso helfen wie den zuständigen Veterinärbehörden, denen damit ein effektiver Vollzug des Tierschutzes ermöglicht würde.
Es ist an der Zeit, auch im Tier- und Artenschutz dem Beispiel Klimaschutz zu folgen und die Erkenntnisse der Wissenschaft zur Grundlage politischer Entscheidungen zu machen. Studienergebnisse, deren Umsetzung nicht in Angriff genommen werden, bedeuten verschenkte Chancen und nicht zuletzt auch verschwendetes Steuergeld.
Stellen Sie sich vor Ihre Kinder wollen unbedingt ein Haustier, Sie sind berufstätig und haben keine Zeit, das Kind hat vielleicht noch Allergien: Sie gehen in die Zoohandlung und der Zooverkäufer rät Ihnen zu einer kleinen preisgünstigen einfach zu haltenden Bartagame – diese wird sich dann leider irgendwann zu der Flut von Bartagamen gesellen, die in Auffangstationen, Tierheimen abgegeben werden oder im Internet zum Verschenken angepriesen werden, weil der Käufer keinerlei Ahnung hatte, welche Haltungskosten auf ihn zukommen.
Oder das Beispiel Papageien. Ich bin Tierärztin für Exoten und sehe seit 36 Jahren täglich die sich selbstverstümmelnden hochintelligenten Graupapageien, die ihr Leben in Einzelhaltung im Käfig fristen – wenn ich die Halter dann berate, habe ich keinerlei rechtlichen Rückhalt, diese zu zwingen etwas zu ändern. Erfreulicherweise hat unsere Regierung 2015 im Rahmen der größten deutschlandweiten sog. EXOPET-Studie zu diesem Thema viel Geld investiert, um den Handel und die Haltung von exotischen Tieren in Privathand zu erforschen. Wir haben diese Studie 2018 beendet mit der Formulierung dringenden Handlungsbedarfes. Leider ist seither nichts passiert. Mit Unterstützung dreier Landestierschutzbeauftragten haben wir daher nun aktuelle Daten in dieser Machbarkeitsstudie gesammelt, um zu sagen: der dringende Handlungsbedarf ist nach wie vor da und hier sind unsere Lösungsansätze, die wir in der Zukunft gerne auch weiter konkret mit dem Expertengremium von EXOPET ausarbeiten wollen, wenn wir dazu die Finanzierung vom Bund bekommen.Diese Lösungsansätze sind: Weiterentwicklung des bereits existierenden Heimtierverordnungsentwurfs von Baden-Württemberg, Ausarbeitung einer kostenfreien App und digitalen Haltungsplattform , Ausarbeitung von Sachkundeprüfungen.
Studie zur Exotenhaltung in Deutschland zeigt: Exotische Tiere in Privathand zum großen Teil nicht artgerecht gehalten! Tierhandel über Tierbörsen oder das Internet sorgt für vermeidbares, millionenfaches Tierleid!
Wer kennt das nicht – den Wunsch der Kinder nach einem Papagei, einer Landschildkröte oder auch nach einem außergewöhnlichen Säugetier… Viele Familien geben dem Drängen nach…Doch wie sieht es mit Wissen über die Haltungsbedingungen oder über die Kosten für Unterbringung, Futter, Energie, Sachkunde, tierärztliche Behandlung solcher Tiere etc. aus? Das fehlt bei angehende Tierhalter und Tierhalterinnen oft! Auch deshalb müssen viele Tiere in privaten Wohnungen still leiden.
Zu diesen erschreckenden Ergebnissen kam bereits 2018 die sog. EXOPET-Studie zum Handel und zur Haltung exotischer Tiere in Privathand. Die Fakten liegen also auf dem Tisch, doch hat bis heute keine Bundesregierung entsprechend gehandelt und die notwendigen Konsequenzen gezogen!
Gesetzliche Regelungen für den Handel und die Haltung von exotischen Tieren in Privathand sind überfällig.
Zusammenfassung
Die Zusammenfassung der Studie finden Sie hier zum Download (pdf, 13,4 MB)